Svenja Fölmli: Treffsicher auf allen Ebenen

15.10.2019 11:44

Svenja Fölmli: Treffsicher auf allen Ebenen

Die 17-jährige Svenja Fölmli debütierte im September im Schweizer Frauen-A-Nationalteam. Das Offensivtalent bestätigt damit ihre Entwicklung, die seit 2017 steil nach oben zeigt.

Das erste Spiel in der obersten Spielklasse kann eine Fussballerin mit Gelassenheit, Ruhe und Disziplin angehen. Die Nervosität soll abgebaut, die Fehlerquote gering gehalten werden. Aber natürlich kann die Premiere auch noch etwas aufregender ausfallen – so wie bei Svenja Fölmli. Am 8. Dezember 2018 wurde sie in der 65. Minute im Spiel der Frauen des FC Luzern gegen den BSC Young Boys eingewechselt, sie war gerade mal 16 Jahre jung, und sie brauchte genau vier Minuten, um ihre erste Duftmarke zu setzen. Sie schoss das Tor zum 4:1 und ein wenig später auch noch jenes zum 5:1. Es war ein explosiver Einstieg.

Die rasante Entwicklung von Svenja Fölmli setzte sich im Jahr 2019 fort. Sie machte acht Tore in der Nationalliga, sie spielte mit dem U19-Nationalteam um den Einzug an die Endrunde der Europameisterschaft und verpasste diesen nur wegen einer 0:2-Niederlage gegen Belgien – und sie entwickelte sich so stark weiter, dass sie nun im September zum Start der EM-Qualifikation des Frauen-A-Nationalteams in Schaffhausen gegen Litauen (4:0) schon ihr Debüt unter Nationaltrainer Nils Nielsen feiern durfte. Diesmal nicht ganz so fulminant wie damals im Dezember 2018, aber angesichts von 17 Jahren noch immer eindrücklich genug.

Zwei Jahre in Biel

Von einem Einsatz im A-Nationalteam hat sie schon geträumt, als sie mit 13 Jahren für die Credit Suisse Academy des SFV für Mädchen in Biel selektioniert wurde. Zwischen 2015 und 2017 nahm ihre Fussballerinnenkarriere dort so richtig Fahrt auf. Ihr Trainingsumfang erhöhte sich auf einen Schlag um ein Mehrfaches, sie profitierte auf allen Ebenen, zusätzlich auch deshalb, weil sie am Wochenende die Spiele mit dem FE14-Footeco Team von Luzern Nord bestritt, neben einer Kollegin mit lauter männlichen Teammitgliedern. «Das Leben in Biel war zunächst gewöhnungsbedürftig, ich hatte anfänglich auch mal ein wenig Heimweh. Aber ich fühlte mich sehr wohl bei meiner Gastfamilie und lernte schnell, selbstständiger zu leben, was für meine Persönlichkeit sicher wichtig war.»

Aufgewachsen ist Svenja Fölmli in Sempach. Ihre beiden älteren Brüder – Yanick und Michael – waren schon Fussballer im örtlichen FC und in der Nachbarschaft waren die Jungs ebenfalls in der Mehrheit. Svenja blieb nicht viel übrig, als selbst auch mit dem Fussball zu beginnen. Mit fünf Jahren bestritt sie ein Probetraining bei den Piccolos des FC Sempach und konnte kurz darauf im Team der Junioren F mitspielen. Bis 2015 blieb sie dem Club treu, dann bestritt sie zwei Jahre Spiele mit der FE14. Ihre beiden Brüder spielen noch heute beim FC Sempach, in der ersten Mannschaft in der 2. Liga regional.

Vierjähriges Sport­-KV

Als Svenja Fölmli 2017 in die Frauenabteilung des FC Luzern eintrat, bestritt sie zunächst eine Saison in der U17, die in der Vorrunde in die Coca-Cola Junior League der männlichen Junioren C eingebunden war und in der Rückrunde eine nationale Meisterschaft gegen U17Teams in der ganzen Schweiz bestritt. Im selben Jahr begann ihre kaufmännische Lehre, die bei Frei’s Schulen speziell auf Spitzensportlerinnen und -sportler ausgerichtet ist und deshalb vier Jahre, also noch bis 2021, dauert. Ihr praktischer Lehrbetrieb ist die Firma Lehner Versand.

2018 erfolgte dann der Wechsel ins U19-Frauenteam des FC Luzern, das es in jener Spielzeit bis in den Final um die Schweizer Meisterschaft schaffen sollte. Svenja Fölmli erzielte allein in der Vorrunde 16 Treffer, fünf allein in einem Spiel gegen das Team Vaud. Das waren Argumente genug für Glenn Meier, den Trainer des NLA-Teams, es mit der begabten Stürmerin zu versuchen. Er sollte es nicht bereuen. In der «Luzer
ner Zeitung» sagte Glenn Meier einst über Svenja Fölmli: «Sie ist ein unfassbares Talent.»

Der Trainer als Inspiration

Die Anerkennung ist gegenseitig. Svenja Fölmli sagt, dass Glenn Meier zu jenen Trainern gehöre, der sie stark inspiriert habe, «und zwar nicht nur fussballerisch, sondern auch menschlich». Komplimente von seiner Seite seien «etwas Besonderes». Sie freut sich darüber, weiss gleichzeitig aber auch nicht so recht, wie sie die Aussage einordnen soll. «Oft ist das ja Ansichtssache und ich befinde mich ja erst in der Nationalliga A.»

Erst bedeutet in diesem Fall, dass die Ziele und Ambitionen für die Karriere von Svenja Fölmli noch weiter reichen. Zunächst möchte sie sich jedoch auch parallel zu ihrer noch knapp zwei Jahre dauernden Ausbildung in der Nationalliga A weiter etablieren. «Es geht darum, dass wir eine möglichst gute Klassierung erreichen und vielleicht auch einmal etwas gewinnen.» Der Start in die Meisterschaft war nicht schlecht, noch sind die Spitzenteams in Reichweite und die Distanz nach hinten ist schon ordentlich. Und im Schweizer Cup stehen die Luzernerinnen nach einem 17:0-Erfolg gegen den Drittligisten FC Rheinfelden schon mal im Achtelfinal.

Fernziel ist aber durchaus ein späterer Wechsel ins Ausland, so wie ihn zwei ihrer Vorbilder, die Innerschweizerinnen Ramona Bachmann und die eben aus dem Nationalteam zurückgetretene Lara Dickenmann, schon vor Jahren vollziehen konnten. Ein Vorbild ist für Svenja Fölmli auch Kylian Mbappé von Paris Saint-Germain. Seine Schnelligkeit, seine Technik und sein Spielstil seien inspirierend. «Ich spiele von der Anlage her ganz ähnlich, wenn natürlich auch auf einem ganz anderen Niveau.»

Eine Vollblut­-Stürmerin

Svenja Fölmli ist eine klassische Abschlussspielerin. Sie mag es, in die Räume vorzustossen und aus ihrer Schnelligkeit Profit zu schlagen. Ihre Vorzüge in Richtung gegnerisches Tor haben sich rasch herauskristallisiert, nur in den Anfängen in Sempach spielte sie auch noch im zentralen Mittelfeld. In den männlichen Nachwuchsteams war es manchmal so, dass sie für ihre Sturmpartner mit Laufarbeit Räume öffnen musste, heute nutzt sie diese Räume selbst als regelmässige Torschützin.

Mit der U19 spielte sie Anfang Oktober in Österreich um die EM-Qualifikation – «ich möchte es mit dem Team gerne an die Endrunde schaffen, auch wenn das nicht einfach wird». Die Tore von Fölmli können durchaus hilfreich sein auf dem Weg nach Georgien, wo im kommenden Sommer acht Teams um die europäische Krone kämpfen werden (vgl. Box). In ihrer ersten Kampagne 2018/2019 hatte sie sechs Treffer erzielt, die Qualifikation für die Endrunde in Schottland wurde dennoch verpasst – wegen einer einzigen Niederlage in der Elite-Runde gegen Belgien. Durch ihre frühe Integration in die U19 wird Svenja Fölmli mit Jahrgang 2002 noch einen weiteren Anlauf nehmen können in der Kampagne 2020/2021.

Aber vielleicht holt die Zeit sie wieder einmal ein und sie schafft den Durchbruch im A-Nationalteam schon früher. Die Footura-Spielerin des SFV jedenfalls hat die Voraussetzungen und den Ehrgeiz, um auch diese nun schon mit der Länderspielpremiere im September angelaufene Hürde vollständig zu nehmen und sich weiter im rasanten Tempo zu einer international konkurrenzfähigen Angreiferin weiterzuentwickeln. Dazu braucht sie mittlerweile auch das Tape um ihr Handgelenk nicht mehr, das sie früher regelmässig trug, durchaus auch aus mentalen Gründen. «Ich bin allgemein ziemlich abergläubisch, aber als ich letzte Saison eine längere Periode ohne Torerfolg durchlebte, legte ich das Band ab, weil es mir kein Glück mehr brachte.» Der Glaube an sich selbst aber ist ihr weiterhin erhalten geblieben.

(Rotweiss/ds)