Simon Sohm, der Stabilisator

15.12.2019 11:40

Simon Sohm, der Stabilisator

Er ist erst 18-jährig, nimmt beim FC Zürich aber schon eine zentrale Rolle im defensiven Mittelfeld ein. Der physisch starke Simon Sohm ist gleichzeitig Captain des Schweizer U19-Nationalteams mit guten Perspektiven als Footuro-Spieler.

Die Stimme am anderen Ende hört sich entschlossen an. Die Antworten sind klar formuliert, der junge Mann scheint zu wissen, wo der Weg hinführt. Anfang Dezember 2019 hat Simon Sohm auch keinen Grund, zurückhaltend zu sein. Mit dem FC Zürich hat er gerade eine starke Periode hinter sich, sechsmal in Folge blieb das Team von Trainer Ludovic Magnin ungeschlagen, die fünf letzten Spiele wurde voll gepunktet. «Wir haben uns gefunden», sagt Simon Sohm. Und ein bisschen hat die neu gewonnene Stabilität wohl auch mit ihm selbst zu tun. Seit der 18-jährige Mittelfeldspieler mit seiner physischen Präsenz regelmässig mitwirkt, stimmen die Resultate. Das kann ein Zufall sein, aber vielmehr ist es die Fortsetzung einer Entwicklung, die sich in den vergangenen Monaten ein wenig abgezeichnet hatte.

Zwei Jahre ab der U16
Simon Sohm ist als Sohn einer Schweizer Mutter und eines nigerianischen Vaters in Watt aufgewachsen. In jungen Jahren machte er beim FC Affoltern die ersten fussballerischen Schritte, doch schon für die U8 war er bei den «Letzikids» ein Teil des FC Zürich. Er genoss dort die gesamte fussballerische Ausbildun
g und die stand schon bald im Vordergrund. Als die U16 im Jahr 2017 den Schweizer Meistertitel holte, da war Simon Sohm der Captain. Aus heutiger Sicht ist es fast ein wenig verrückt, dass dies erst etwas mehr als zwei Jahre her ist. Der Aufstieg von dieser U16 bis in die Schweizer Super League verlief rasant. Bei seiner Premiere am 28. Oktober 2018, als er in der Nachspielzeit gegen den FC St. Gallen eingewechselt wurde, war er gerade mal 17 Jahre, 6 Monate und 17 Tage jung. Zu jenem Zeitpunkt gab es keinen jüngeren, der in der obersten Schweizer Liga unterwegs war. Ein Traum war für Simon Sohm mit seinem Debüt in Erfüllung gegangen – etwas, das er noch ein Jahr zuvor kaum zu erwarten gewagt hätte.

Wichtige Erfahrungen
«Spielerisch und körperlich war ich vielleicht zu jenem Zeitpunkt noch nicht bei 100 Prozent, aber die ersten Erfahrungen waren für meine weitere Entwicklung sehr hilfreich.» Dem Blitzstart folgte eine schrittweise Entwicklung. Erst im neuen Jahr kamen die nächsten Einsätze dazu, er spielte dabei sogar im Rückspiel des Sechzehntelfinals der Europa League im vergangenen Februar beim SSC Neapel. Doch so weit, dass man ihn als Stammkraft hätte bezeichnen können, war er noch nicht, auch nicht, als unter Ludovic Magnin in diesem Sommer die neue Saison in Angriff genommen wurde. Der durchzogene Saisonstart, der geprägt war von Unkonstanz und personellen Schwierigkeiten, verhalf Sohm schliesslich zum Durchbruch. «Die grössten Fortschritte habe ich im physischen Bereich gemacht», resümiert er seine ersten Monate. Gross gewachsen war er schon immer, doch nun lernte er, seinen Körper in den Zweikämpfen bewusst einzusetzen. «Ich würde das nun sogar als meine Stärke bezeichnen», sagt er. Trainer Magnin hat in den letzten Wochen primär am defensiven Konzept gearbeitet. «Zu Beginn der Saison machten wir oft leichte Fehler und
liessen uns auskontern. Das konnten wir abstellen», so Sohm – und das lässt sich auch statistisch nachweisen. Die Gegentorquote aus dem ersten Meisterschaftsviertel (2,0 pro Spiel) konnte kurzum halbiert werden. «Am Anfang war vieles negativ, daraus haben wir gelernt. Und wir beweisen, dass wir uns auch mit jungen Spielern gut entwickeln können.»

Hoffnung in den Niederlanden
In die positive Phase fiel im Oktober das erste Qualifikationsturnier der Schweizer U19-Auswahl. Auch dort unterstreicht Sohm seine Führungsrolle mit der Captainbinde. Das Team von Nationaltrainer Johann Vogel qualifizierte sich ohne grössere Probleme für die nächste Runde, auch wenn Sohm die knappe Niederlage gegen Österreich nicht so ganz passte. «Sie waren etwas frischer und die Niederlage resultierte auf unglückliche Weise.» Im Frühjahr wird die U19, in der einige hoch interessante Spieler wie der St. Galler Leonidas Stergiou, der bei Ajax Amsterdam ausgebildete Filip Frei oder der in England spielende Alexandre Jankewitz mitwirken, in den Niederlanden um einen Platz für die Endrunde in Nordirland kämpfen. Dort spielen die besten acht Teams Europa nicht nur um den kontinentalen Titel, sondern auch um die UEFA-Plätze an der FIFA U20-Weltmeisterschaft 2021 in Indonesien. Erst einmal schaffte es eine SFV-Auswahl dorthin – 2005 in die Niederlande … Für Sohm steht in den nächsten Monaten auch noch der Abschluss seiner kaufmännischen Ausbildung bevor. Nachdem er zunächst die Kunst- & Sportschule in Zürich belegte, begann er seine Lehre mit zwei Theoriejahren an der United School of Sports in Zürich. Den praktischen Teil, der den zweiten Teil der vierjährigen Ausbildung prägt, absolviert er bei der Firma Gollman Zwick in Dielsdorf.

An der U17-EM 2018
Das wird wohl auch so bleiben, denn Sohm denkt nicht daran, seine nun erarbeitete und stabilisierte Position so schnell wieder aufzugeben. Klar, er ist noch immer ein junger Fussballer mit Entwicklungspotenzial. Aber er geniesst seinen aktuellen Status augenscheinlich. Als er am 29. Juni 2018 seinen ersten Profivertrag beim FC Zürich (Laufzeit bis 2021) unterzeichnete, da hatte er gerade sein erstes grosses Turnier hinter sich. Mit der Schweizer U17 bestritt er in England seine erste Europameisterschafts-Endrunde. Trotz des überraschenden 1:0-Sieges gegen den Gastgeber reichte es schliesslich wegen eines Tores in der Bilanz der Direktbegegnungen gegen Italien und England nicht für den Halbfinal. Doch einige Wochen später kam trotzdem noch eine gute Nachricht dazu. Der Schweizerische Fussballverband nahm ihn als einen von drei Spielern 
mit Geburtsjahr 2001 in sein Footuro-Programm auf. «Es macht mich stolz, dass man mich unter den Besten meines Jahrgangs einschätzt – und ich profitiere sehr von der Leistungsdiagnostik, von der wir in diesem Programm profitieren können», so Sohm.

Von Kevin Bua gefoult
Längst macht er auch Schlagzeilen in der Super League. Viel diskutiert wurde die Szene im Spiel beim FC Basel 1893, als Sohm nach einer Balleroberung einen Konter lancieren wollte und von Kevin Bua ziemlich übel gefoult wurde. Das wäre, wie später klar wurde, ein Platzverweis gewesen. Stattdessen erzielte Bua kurze Zeit später das vorentscheidende 2:0 für den FC Basel. Am Ende hiess es 4:0, auch die beiden Spiele gegen YB und eines gegen Lugano gingen mit diesem Resultat verloren. Aber das sind Ergebnisse, die vor der Stabilisierung und vor der regelmässigen Präsenz von Simon Sohm Alltag waren. Die Dinge haben sich markant verändert.


(Rotweiss/ds)